2023 Stockholm
Malte
- 7 Minuten - 1361 WörterIntro
Am Wochenende war ich in Stockholm. Schweden habe ich schon oefter wegen der beeindruckenden Natur besucht, aber nie einen Fuss in eine der groesseren Staedte gesetzt. Die bisherigen Reisen gingen immer mit dem Bus in die Wildnis, von wo aus dann mit Kanu oder zu Fuss die Natur erkundet wurde.
TL;DR: Die Schweden leben in der Zukunft. Wir Deutsche leben in der
Vergangenheit.
Nachfolgend liste ich auf, was mich zu dieser Aussage bringt. Die genaue Situation werde ich mit einem (wtf) markieren.
Vor der Anreise
Mein initialer Plan war die Anreise per Zug, weil ich das Verkehrsmittel gerne nutze und aktuell mehr als genug Zeit habe.
Als Zugticket hat mich wieder ein Ticket von Interrail angesprochen. 4 Tage innerhalb von 1 Monat ist ziemlich genau das, was ich brauche. In der ersten Klasse kostet das Ticket aktuell 328 Euro.
Tag 1: Frankfurt -> Hamburg -> Kopenhagen
Tag 2: Kopenhagen -> Stockholm
Tag 3: Stockholm -> Kopenhagen
Tag 4: Kopenhagen -> Hamburg -> Frankfurt
Eine kurz Auffrischung zu den Bedingungen eines Tickets von Interrail: Nur zwei Fahrten sind im Heimatland moeglich. Angedacht ist, dass die erste Fahrt aus dem Land fuehrt und die zweite wieder in das Land.
Da ich effektiv nur Freitag bis Sonntag in Stockholm sein musste, plante ich meine Anreise fuer einen Mittwoch und die Abreise fuer den Montag.
Mittwoch und Donnerstag anreisen, Freitag bis Sonntag vor Ort sein, Montag und Dienstag abreisen.
Vier Reisetage fuer drei Tage aufenthalt? Egal.
Sitzplaetze konnte ich fuer die Strecke von Frankfurt nach Kopenhagen mittels der Deutschen Bahn buchen, fuer die restliche Strecke ging das ueber sj.se.
In Hamburg waren genau 17 Minuten zum Umsteigen eingeplant. Manchmal ist die Deutsche Bahn sehr optimistisch, was ihre eigene Puenktlichkeit angeht.
Zwei Tage vor Reisebeginn bekam ich dann die ersten eMails ueber Probleme mit der Verbindung von Frankfurt nach Hamburg. (wtf) Diese Strecke bin ich schon unzaehlige Male gefahren und sie interessiert mich am wenigsten.
Einen Tag vor Reisebeginn gab es weitere Aenderungen per eMail und am Morgen der Abreise, als ich gerade das Interrailticket kaufen wollte, wurde dann auch noch eine Verspaetung angekuendigt. (wtf) Von den urspruenglichen 17 Minuten blieben in Hamburg dann noch eine Minute uebrig. Das war dann genug fuer mich. Ich habe zwar Zeit, aber ich will sie nicht mit der Deutschen Bahn verschwenden.
Die Sitzplatzreservierung in Schweden konnte ich mit zwei Klicks stornieren. Das Geld habe ich mittlerweile schon zurueck. Bei der Deutschen Bahn ist das stornieren von Sitzplaetzen nicht vorgesehen. (wtf)
Als Alternative habe ich dann zwei Flugtickets gebucht. Frankfurt/Stockholm in der Business Class fuer 1x 140 Euro und 1x 260 Euro. Zwei Stunden im Flieger und gutes Essen vor und waehrend des Fluges. Zumindest in Frankfurt. Die SAS Lounge in Arlanda war leider voellig ueberlaufen und kein Genuss. In die Gold Lounge wollten sie mich leider nicht reinlassen.
Ankunft

Aber genug der schlechte Laune aus Deutschland. Kommen wir zu den positiven Erlebnissen in Schweden.
Nach der Landung habe ich meinen Rucksack eingesammelt und mir Gedanken gemacht, wie man jetzt nach Stockholm kommt.

Der Flughafen (IATA: ARN, ICAO: ESSA) ist ungefaehr 35km Luftlinie von Hauptbahnhof in Stockholm entfernt. Ich ignoriere die aufdringlichen Taxifahrer und die Leitlinien zum Busbahnhof. Ich suche den Weg zum Arland Express. Ein Zug der alle 15 Minuten zwischen Flughafen und Hauptbahnhof pendelt. Reisedauer: 18 Minuten. (wtf)
Das Hin- und Rueckticket kostet ~50 Euro fuer eine Person und ist 90 Tage gueltig. Habe ich mich verlesen … 90 Tage? “Die luegen doch” war mein erster Gedanke. Aber nein, es stimmt wirklich. (wtf)

Hinweis: Gruppentickets sind pro Person guenstiger. 1 Person: ~50 Euro. 2 Personen: ~70 Euro. 3 Personen: ~87 Euro.
Waehrend ich also das Ticket auf dem Handy klicke, laufe ich zum Aufzug des Arland Express und fahre damit unter die Erde. Der Zug steht schon mit offenen Tueren bereit. Der Komfort ist erste Klasse. Viel Platz fuer Personen, Gepaeck, Rollstuehle, Kinderwagen oder sonstiges. Dazu gibt es keine Stufen beim Einstieg. Besser wird es nicht, dachte ich mir.
Tickets werden kurz nach der Abfahrt kontrolliert. “Tickets please”, beeep, “Tak, have a nice day”. <3

Kurze Zeit spaeter faehrt der Zug mit 200 km/h nach Stockholm. Wir kommen an und … der Zug bleibt einfach stehen. In Deutschland gibt es einen Ruck, wenn ein Zug stehen bleibt. Der kann schonmal relativ stark ausfallen und eine Person umwerfen. Hier nicht. (wtf) Sind die Zuege hier nicht Made in Germany? Bremsen die einfach sanfter? Ehrlich gesagt: I don’t care. Ich will diesen Komfort auch hier.
In Stockholm
Der restliche Teil ist eine grobe Zusammenfassung meiner Beobachtungen.
Aber vorher noch ein paar Zahlen zu Frankfurt und Stockholm mit Daten frisch aus der Wikipedia:
Frankfurt | Stockholm | |
---|---|---|
Einwohner | 773.068 | 978.770 |
Flaeche | 248 km^2 | 188 km^2 |
Einwohner/Flaeche | 3100/km^2 | 5200/km^2 |
Die Stadt
Ist sauber. (wtf)
Sonntag Morgen gegen halb sieben habe ich mich in die Laufschuhe gezwungen und die leere Stadt erkundet. Das Dreckigste, was ich gesehen habe, war ein umgefallener Blumenkuebel und eine mittelgrosse Dose Helium. Ansonsten war die Stadt (fuer Frankfurter Verhaeltnisse) sehr sauber.
Motorisierter Individualverkehr
Man merkt recht schnell, dass Stockholm zwar auch viele mehrspurige Strassen hat, dort aber nur wenige Fahrzeuge unterwegs sind. Auch in den kleineren Seitenstrassen stehen zwar Autos, aber es sind wesentlich weniger als es z.B. in Frankfurt der Fall ist.
Das war eine der ersten Beobachtungen, die mir immer wieder aufgefallen ist. Egal wo ich war, es gab wenige Autos. Und entsprechend ruhig war die Stadt. (wtf)
Gehwegparker habe ich gar nicht gesehen. Keinen. Einzigen. (wtf) Was hingegen oefter zu sehen war: Parkraumueberwachung.

Motorraeder sind auch hier durch den bekannten Laerm aufgefallen.
Fussgaengerampeln
Wenn in Deutschland eine Ampel ausfallen sollte, hat man als Fussgaenger eine schwere Zeit. Autofahrer sind oft mit der Situation ueberfordert und wissen nicht, wohin sie ihren Blechhaufen lenken sollen. Fussgaenger verlieren dazu noch den Vorrang, den sie haben, wenn ihre Ampel auf gruen schaltet. Man wartet also auf nette Leute die einen die Strasse queren lassen.
In Stockholm ist jede Fussgaengerampel auch ein Zebrastreifen.

Aufgefallen ist mir das, als an einer vierspurigen Strasse die Ampel ausgefallen ist und alle Autos angehalten haben, als ich zoegernd an die Strasse getreten bin. (wtf)
In Deutschland hingegen wird man auch auf normalen Fussgaengerueberwegen als Anomalie angesehen.
U-Bahn/Tram/Bus
Der Hauptbahnhof ist ein beeindruckendes Bauwerk. Nicht nur ueber der Erde. Auch darunter.
Ueber der Erde fahren Zuege - wie z.B. der Arland Express. Eine Ebene darunter U-Bahnen. Und ganz unten “Commuter Trains”.

Und das Highlight: Es ist sauber. (wtf) Der Frankfurter Hauptbahnhof verleitet schonmal zum Brechreiz. Das kennen die Schweden nur, wenn man hier mit Bargeld bezahlen will.

Der Ticketkauf fuer die U-Bahn laeuft kontaktlos. Die Ticketautomaten sind zwar noch vorhanden, werden aber nicht mehr genutzt. Vor den Rolltreppen sind Tore; Kreditkarte hinhalten und das Tor geht auf. Fertig. Gute Fahrt. (wtf)
Als urdeutsche Kartoffel habe ich keine Ahnung von sowas und muss es mir von jemandem in Uniform erklaeren lassen. Die Person erklaert mir auch, dass es an jeder Station jemanden gibt, der den Passagieren helfen kann. Das kenne ich aus Deutschland. Dachte ich.
Die Fahrt mit der U-Bahn war wie die Fahrt mit dem Arland Express. Saubere, helle und neue Zuege bringen die Passagiere von A nach B. Die Seite, auf der man Aussteigen kann, wird nochmal extra beleuchtet. Von Beschleunigungs- und Bremsvorgaengen ist nichts zu merken. Die Fahrt koennte selbst ich im Krieger 3 verbringen. (wtf)
Mitten im Nirgendwo lag mein Zielbahnhof. Ich steige aus und finde: Eine Person am Schalter, die mir erklaert, wie ich an den von mir gesuchten See komme. (wtf)

20 Minuten, nachdem ich am Bahnhof in die Bahn gestiegen bin, sitze ich in der wunderbaren schwedischen Natur.

Zurueck in Frankfurt
Am Regionalbahnhof des Flughafens sehe ich erst wie Touristen versuchen ein Ticket fuer die Bahn zu ziehen und fast daran verzweifeln, nur um dann 20 Minuten auf eine Bahn Richtung Innenstadt zu warten. Beim Bremsvorgang ist ein Paerchen mit grossen Koffern fast umgefallen.
An der Konsti warte ich auf meine Anschluss-U-Bahn. Das Verbotsschild fuer Luftballons erheitert mich immer wieder. Es sind 28 Grad und es riecht wie damals beim Schulausflug zur Klaeranlage. “Wie alt das Erbrochen wohl ist?” frage ich mich, als ich den Haufen vor der Rolltreppe sehe.